BIOGRAPHIE

Kvapils kritischer Geist ließ sich nicht festlegen. Das ist so wie mit seiner Lieblingsfarbe Ultramarin. Die Farbe liegt zwischen den Polen …

Kurt Schär, Kunsthistoriker

Freiheit durch Kunst

Das sagt er uns: Mensch, du bist nicht eindimensional. Du kannst dumm und klug zugleich sein, also mach‘ was draus. Du kannst deiner Existenz ganz sicher sein und zugleich kurz vor dem Absturz stehen, also kümmere dich.

Ein Moralapostel ist er nicht und will es auch nie sein, aber ein Multiplikator für Intelligenz ist er schon oder zumindest ein Wegweiser unseres nicht mehr überschaubaren Daseins. Mit solch einer Rolle kann er sich schon anfreunden.

(Thomas Warndorf)

Der Pinsel als Waffe …

1934 wird Boleslav Kvapil im mährischen Trebič geboren. Die bürgerliche Familie lebt im Dorf Jemnice.

1948 der Vater und die beiden Söhne Boja und Svatja kommen in Sippenhaft, Kvapil muss die Schule verlassen und im Kohlebergbau arbeiten. 

1961 Entlassung aus dem Bergwerk, er bereitet sich in Abendschulen auf die Universität vor.

1968 noch Student an der Karlsuniversität, ist er vom Enthusiasmus der Reformen erfasst, schreibt und karikiert er, erst recht, als das „Tauwetter“ vorbei ist und die sogenannte „Normalisierung“ um sich greift.

1969 flieht er mit der Familie über Jugoslawien nach Österreich. Nach einem Jahr kommen sie im deutschen Ingelheim an und auch im Kapitalismus.

1971 Kvapil zieht in den Hegau und beginnt eine Tätigkeit als Werbegraphiker bei Alusingen. Im Unternehmen gibt es die erste Ausstellung seiner Werke, die mit klarer Bildersprache überzeugen. Sein Name hat plötzlich einen Klang.

Seinen Weg gehen

1975 wagt Kvapil den Schritt zum freischaffenden Künstler. Es gibt große Spannungsbereiche im Werk. Seine sozialkritischen Arbeiten werden mit der Neuen Sachlichkeit George Groszs‘ verglichen. Die eher naiv eingestuften Buchprojekte sind für ihn erfolgreiche „Brotbilder“.

80er Kvapil wird zum Menschenmaler. Er hat keine Angst, durch fratzenhafte Darstellungen eine irgendwie geartete Ästhetik zu verletzen. Er nähert sich der Existenz des Menschen – schonungslos und unverstellt. Er entwickelt einen eigenen Symbolismus, verbindet heimatliche Philosophie mit neuer gesellschaftlicher Realität.

90er Die Entdeckung des literarischen Kvapils. Er nähert sich der Philosophie und der Welt des Geistes. Franz Kafka hat er in Bilder umgesetzt, Goethe fasziniert ihn. Mit dem Heinrich-Heine –Zyklus weist er auf die Aktualität von Heines‘ Fragestellungen hin. Wie geht ein Land mit Menschen andere Länder um? 

00er Seidenstraßen und babylonische Landschaften, kafkaesk menschenleer, oft in der Farbe Ultramarin. Sie liegt zwischen den Polen, zwischen warm und kalt. Damit passt sie zu Kvapil, der sich nie festlegen lässt.

10er durch den erlittenen Herzinfarkt ändern sich nicht nur die Lebensgewohnheiten, sondern auch die Themen in seinen Werken. „Es bringt nichts, den Apfel der Erkenntnis zu kennen, wenn man dafür aus dem Leben verbannt wird.“ meint er ernüchtert. Er bleibt sensibler Betrachter der Welt, aber aus einer anderen Perspektive. 

Der Pinsel war seine Waffe, mit dieser kämpfte er gegen innere und äußere Widrigkeiten an, bis zu seinem Tod am 23. Juni 2017.